Angst, Panik, Depression

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Gefühle

Der Mensch hält oft die Gefühle selber für die Krankheit. Die hier genannten Symptome entstehen aber erstaunlicherweise dann, wenn die dazugehörigen Gefühle nicht gefühlt werden, nicht gefühlt werden können. Es folgen einige interessante Zeilen über Gefühle, die sie zunächst einmal als These ausprobieren können. Diese Aussagen gilt es im Verlauf der Therapie für Sie zu erläutern, sie tiefer zu verstehen und sie zu überprüfen! Sie sind grundlegend für die weiteren Ausführungen.

  • Es gibt Gefühle nicht selektiert. Das bedeutet, wenn ich keinen Schmerz oder keine Traurigkeit oder keine Wut fühlen will, werde ich gleichzeitig meine Freude und Liebesfähigkeit wegdrücken müssen.
  • Gefühle als solche sind keine lebensbedrohliche Krankheit, eher eine vom Aussterben bedrohte Spezies, die es gilt zu erhalten.
  • Die Bereitwilligkeit, Gefühle zu fühlen, ist ein Gang auf Messers Schneide: sie können unterdrückt werden, oder übertrieben (ausaggiert); je durch Gedanken, Geschichten, Bilder oder Handlungen. Beides führt nicht zum Ziel.
  • Auf „Messers Schneide“ bleibend sind Gefühle endlich.

„Das Selbst ist
frei
von allen Eigenschaften.
Gute
oder schlechte Eigenschaften
gibt es nur
für den Verstand.“

Ramana

Im Grunde ist die Angst ein notwendiges, sinnvolles Gefühl. Sie hilft dem Menschen Gefahren zu erkennen. „Von den Menschen, die keine Angst gehabt haben [vor dem Säbelzahntiger] stammen wir nicht ab.“ (Prof. M. Spitzer)

Manchmal versteckt sich die Angst hinter körperlichen Symptomen, die auch abgeklärt werden müssen: Angstschweiß, Durchfall, Todesangst einen Herzinfarkt oder keine Luft mehr zu bekommen, innere Unruhe, Lähmungsgefühle, Schwindel u.s.w.. Durch diese Tarnung kann es eine Weile dauern, bis die Symptome als Angsterkrankung erkannt worden sind, was zu langwieriger körperlicher Diagnostik führen kann. Manchmal hilft die Schilderung eines Angstanfalls von einem anderen Betroffenen, um zu erkennen: „Ja, das habe ich auch.“
Es finden sich Ängste zu versagen, Angst eine schwere Krankheit zu haben oder verschiedene Ängste im Bezug auf andere Menschen.

Die Angst dient eigentlich dazu, vor Gefahren zu schützen, welche die körperliche Existenz bedrohen. Im Fall der Angstkrankheit hat sich die Angst verselbstständigt. Der Mensch „beschützt sich“ durch die Angstkrankheit vor den eigenen darunter liegenden Gefühlen, tieferen Ängsten, Wünschen oder Auseinandersetzungen. Dies kann mehr wie eine überflüssig gewordene Gewohnheit sein, aber auch eine für die Seele wichtige Funktion haben, die erst verstanden und gelöst werden will, bevor die Symptome verschwinden können.

Bei den Zwängen verhält es sich ganz ähnlich wie bei den Ängsten. Hier sind es bestimmte Gedanken, Vorstellungen oder Impulse, die sich an die Stelle des Eigentlichen setzen. Zum Beispiel fängt das Kind an, die Kacheln zu zählen, um den Geist beschäftigt zu halten und nicht darüber zu weinen, dass Papa und Mama sich streiten. Dieser Zählzwang kann sich dann auf andere Gegenstände und Gelegenheiten ausweiten und verselbstständigen. Die darunter liegenden Themen sind variabel.

Diese Symptomatik finden Sie unter den körperlichen Erkrankungen.

Zunächst einmal ist die sogenannte neurotische Depression von der obenstehenden (Geistes- und Gemütskrankheiten) endogenen Depression zu unterscheiden, auch wenn es vielfältige Überschneidungen gibt. Man könnte vereinfachend sagen, dass bei der neurotischen Depression, die Ursache zu einem ganz überwiegenderen Anteil im Seelischen liegt. Und sie auch dort zu behandeln ist.

Wann also wird Traurigkeit eine Krankheit? Die Depression ist, im Gegensatz zur allgemeinen Annahme, keine Traurigkeit. Es ist eher eine Stimmung von Gefühllosigkeit und innerer Ödnis. Das was eigentlich traurig und schmerzlich im Leben ist, kann nicht mehr verarbeitet werden und verstockt sich in der Seele. Harry Potters Dementoren sind eine sehr anschauliche Beschreibung dieses Gefühls.
Auch die Depression versteckt sich gerne hinter körperlichen Missempfindungen, Schmerzen, Schlafstörungen, Kraftlosigkeit. Aber es zeigen sich auch direktere Symptome wie „grundloses“ Weinen, Lustlosigkeit (auch im Sexuellen) und ein Gefühl von Sinnlosigkeit. Im Innern überwiegt ein Gefühl des Mangels. Der Eindruck, dass niemand einen mag. Die Gedanken sind ganz auf das Negative konzentriert.

Manche Verluste scheinen ganz unaushaltbar. Es kommt einem vor, als könne man selber diesen Verlust kaum überleben. Mancher macht dem Verstorbenen Vorwürfe, dass er einen im Stich gelassen hat, auch wenn man in der Tiefe der Seele weiß, dass er keine andere Wahl hatte; oder man macht sich selber Vorwürfe, für irgendwas. – Alles scheint besser, als die Ohnmacht gegenüber dem Tod und seiner unzumutbaren Endgültigkeit zu fühlen.
Auch bestimmte Erwartungen von der Umwelt, die mit den eigenen Gefühlen vielleicht gar nicht übereinstimmen, können einen natürlichen Trauer-Prozess stark beeinträchtigen.

Betroffene erleben eine gute Trauergruppe oft sehr unterstützend.

Ein Trauma entsteht, wenn mindestens subjektive eine Lebensbedrohung erlebt worden ist. Wenn im Leben Dinge geschehen sind, welche die menschlichen Vorstellungen übersteigen (physische, sexualisierte und psychische Gewalt, schwere Erkrankungen, Unfälle, medizinische Eingriffe u.ä.) und damit auch die üblichen Möglichkeiten des Psychischen zur Bewältigung.
Ein solches Erlebnis kann auch integriert werden. Dies geschieht durch guten sicheren Schlaf, darüber reden, darüber schweigen, darüber weinen und klagen, erleichtert sein, dass es nicht schlimmer ausgegangen ist, auch durch zeitweises Abstand gewinnen (z.B. mit Medikamenten).
Es gibt verschiedene Faktoren, interne und externe, die eine solche Integration erschweren oder erleichtern. Es ist in jedem Fall natürlich, dass ein solcher Prozess mindestens 6 Wochen andauert. Schon in dieser Zeit kann es sinnvoll sein, professionelle Hilfe aufzusuchen, um das Verarbeiten zu unterstützen. Manchmal kann ein solcher Prozess nicht gelingen und es entwickelt sich eine PostTraumatischeBelastungsStörung, besonderes wenn alles vielleicht schon in der Kindheit begonnen hat. Als Folge davon, können sich Schwierigkeiten in der eigenen Gefühlswelt ergeben, die sich z.B. im Umgang mit anderen Menschen zeigen, wiedderkehrende Erinnerungen, innere Abwesenheit, Reizbarkeit, Schlafstörungen u.a..

Ich erwähne dies hier, weil manchmal Menschen mit der Aussage kommen: „Ich habe eine Persönlichkeitsstörung.“ Es ist wichtig, diese Diagnose, sofern sie sorgfältig gestellt wurde, zu verstehen. Denn auch wenn die Bezeichnung rüde klingt, benennt sie doch etwas Wichtiges.
Von einer Persönlichkeitsstörung spricht man, wenn bestimmte seelische Schwierigkeiten sehr ausgedehnt sind. Sowohl in zeitlicher Hinsicht, schon seit der Kindheit oder Jugend bestehen als auch sich inhaltlich auf viele Bereiche des Lebens erstrecken. Insbesondere ist die eigene Wahrnehmung so beeinträchtigt, dass auch die Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Dadurch entsteht ein Gefühl von großer Unfreiheit und ausgeliefert sein. – Ein gutes Motiv in der Therapie etwas zu verändern.
Es kann ein starkes Überwiegen verschiedener Charaktereigenschaften vorliegen, wie ein Gefühl von Ängstlichkeit, Abhängigkeit, Zwanghaftigkeit, Dramatisierung oder Selbstbezogenheit; manchmal ein Gefühl, die Welt feindselig zu erleben, sich lieber zurück zu ziehen. Oft stehen Gefühlsschwankungen ganz im Vordergrund.

Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern. Was geschehen ist, ist geschehen. Aber das Überleben hat geklappt. Darauf kann aufgebaut werden.
Es ist ein gutes heilsames Bild, sich vorzustellen, jetzt als ErwachseneR, mit Unterstützung der Therapeutin, für das damals vernachlässigte Kind zu sorgen, auch wenn das zunächst nicht einfach scheinen mag.
So oder anders kann es gelingen, sich den verschütteten Gefühlen und Regungen wieder zu nähern und somit auch zur eigenen Lebendigkeit zurück zu finden.
In gewisser Weise, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, trifft das auf jeden Menschen zu; können zumindest mit einem solchen Verständnis und Vorgehen bestimmte Charaktereigenschaften und Eigenheiten verstanden und integriert oder geheilt werden.

„Manchmal ist die Selbstzerstörung, die mangelnde Selbstliebe oder Depression die Öffnung, durch die sich die Transzendenz ihren Weg bahnt.“
Michael Beckwith und Rickie Byars-Beckwith, Soul-Musiker zu hören auf youtube

Wenn der Mensch nicht mehr leben möchte oder das Gefühl hat, nicht mehr weiter leben zu können, ist er am tiefsten Grund der Seele angekommen. Es ist die dunkle Nacht der Seele und es scheint keinen Ausweg mehr zu geben. Manchmal scheint es auch der einzige Weg, seiner Umwelt das ganze Ausmaß der eigenen Verzweiflung verständlich zu machen oder sich überhaupt Gehör zu verschaffen.
Wenn es erst einmal geglückt ist, herauszufinden wo man eigentlich steht, was das aller Unerträglichste ist, wonach man eigentlich sucht und was die eigenen Wünsche eigentlich sind, ist schon viel gewonnen. Dann können alle Phantasien ans Tageslicht kommen und manche paradiesische Vorstellung oder Erlösungsphantasie von einem Ort, den keiner genau kennt, verflüchtigt sich dann, wie ein Gespenst bei Sonnenaufgang.
Es ist keine leichte Aufgabe, sich der tiefen Erschütterung zu stellen, aber umso lohnender ist es, wenn man schon mal in dieser Seelentiefe angekommen ist, sich dort „umzusehen“, dort „hineinzuspüren“ und so viel über sich selbst und über das Menschliche zu erfahren.

Behandlung

Manchmal sind Medikamente (Antidepressiva) unabdinbar, um überhaupt in einen Zustand zu gelangen, der es erlaubt, sich den Gefühlen wieder zuzuwenden. Das ist eine unverzichtbere Voraussetzung für Heilung. Dafür benötigt man eine gewisse seelische Stabilität und auch zum Beispiel einen guten Schlafrhythmus.
Alleine heilen können Medikamente hier nicht. Oft beseitigen sie das Symptom und wirken betäubend, wenn man sich nicht gleichzeitig dem Seelischen zuwendet. Nicht wenige Menschen neigen dazu, mittels Alkohol und Zigaretten zu versuchen, die Angst los zu werden. Es bedarf dann großer Anstrengungen, den Weg wieder zurück zu gehen, weil es so schön bequem scheint, einfach eine Pille zu nehmen und „alles ist gut“. Leider funktioniert das nicht dauerhaft.
Der lösende Weg führt in die gegenteilige Richtung. Alte Gewohnheiten können umtrainiert und abgelegt werden, oder das unter den Symptomen Verborgene wird schrittweise entschlüsselt und gelöst. Dafür ist es wichtig, dass die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich den eigenen Gefühlen zu nähern, wächst und sich vertieft. Dies wird durch das Autogene Training unterstützt.
Für traumatische Erlebnisse wurden, insbesondere von Frau Dr. Reddemann, spezielle Übungen zur Stabilisierung zusammengestellt und entwickelt, die in einer solchen Situation unterstützen. Diese Übungen können in einer Gruppe eingeübt werden. In der psychotherapeutischen Arbeit wird hier die Ressourcen-Orientierung ganz besonders betont: das Aufbauen und Ausrichten der Therapie auf das, was jeder Mensch an Fähigkeiten entwickelt hat, das Leben zu meistern, zu überleben und sich auf die Innere Suche zu begeben. Sich an das Geschehene zu erinnern (Exposition) ist hier nur ein Bruchteil der Arbeit.
In der dunklen Nacht der Seele gibt es den Weg heraus oder den innerlichen Weg hindurch: z. B. ist das Aufgeben dessen, was man nicht hat, auch eine Art des inneren Sterbens, welche aber befreit und lebendig macht. Hier ist ein guter Ansatzpunkt für die gemeinsame psychotherapeutische Arbeit. Wenn man nichts mehr zu verlieren hat, wenn man wirklich bereit wäre zu sterben, für etwas das sich lohnt, dann kann der Einsatz vollständig sein. Der Einsatz für das Leben.

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